Jetzt habt ihr schon länger keine Neuigkeiten mehr von Wilma und mir bekommen– woran das liegt?

Naja, ich war mal wieder auf einer kleineren Wanderung unterwegs und nur wenig zuhause in Wilma. Immer wenn ich drüber nachdenke, dass andere Menschen in Häusern wohnen und für die Ferien in einen Van ziehen, um Urlaub zu machen, fällt mir auf, wie skurril es ist, als Vollzeit Vanlifer seine Ferien gerade nicht im Bus verbringen zu wollen. Man muss sich für den Urlaub also etwas anderes überlegen, um mal aus dem Trott auszubrechen. Und da ich bekanntermaßen schwer wandersüchtig bin, habe ich im Februar also meinen Rucksack gepackt und bin aufgebrochen ins nächste kleine Wanderabenteuer.

So sehr ich die Schweizer Alpen im Winter auch liebe und jedes Wochenende auf Abenteuer im Schnee unterwegs bin, so brauche ich doch manchmal einfach eine Zeit ohne Schnee. In der ich einfach loslaufen kann, ohne mir bei der Tour dauernd über Schneelagen, Lawinengefahr, Begehbarkeit zu verschiedenen Tageszeiten und Erfrierungen, Gedanken machen zu müssen.

Aus diesem Grund hatte ich mich entschieden, die wunderschöne Insel Kreta einmal zu Fuß von Ost nach West zu durchqueren und träumte von Wandern bei angenehmen Frühlingstemperaturen und einem stetigen Blick aufs Meer. Nebenbei hatte das den Effekt, dass ich endlich mal wieder im Warmen schlafen kann – Temperaturen nachts auf der Insel sind meist zwischen 5 und 10 Grad im Winter. Die Wochen vorher in der Schweiz waren nämlich ziemlich unangenehm kalt. Und ich hatte seit fast einem Monat eine hartnäckige Erkältung, die einfach nicht weg gehen wollte. Und jede Nacht bei frostigen Temperaturen im Bus zu schlafen, half aus unerfindlichen Gründen nicht wirklich bei der Genesung….

Der einzige Wermutstropfen bei dem Abschied aus Wilma war, dass ich mein Buskrokodil Emil leider allein im kalten Bus zurücklassen musste, da er zu groß ist und nicht in den Wanderrucksack passt. Aber ich habe ihm versprochen, dass ich ihm eine Postkarte aus Kreta schreibe! Nun also hoffen, dass es Wilma gut geht, wenn ich in ein paar Wochen wieder zurückkomme, nichts eingefroren ist und ich nichts im Vorratsschrank vergessen habe, was bis dahin ein Eigenleben entwickelt hat (ja, ist durchaus schonmal vor gekommen…)

Die ersten zwei Tagen auf Kreta habe ich erst mal damit verbracht, wieder halbwegs gesund zu werden und damit ich bereit bin, mich der 500 km Wanderung zu stellen. Auch wenn die Insel im Sommer durchaus ein beliebtes Ziel für Touristen ist, so ist dort im Winter alles komplett ausgestorben. Oft sind ganze Dörfer in den Bergen ohne Einwohner, was das Wandererlebnis ein bisschen abenteuerlicher macht. Umso schöner und beeindruckender ist es, sich komplett allein durch die wunderschön wilde Natur zu bewegen. Von bilderbuchhaften Standstränden über schroffe Steilklippen. Durch malerisch blühende Olivenhaine und atemberaubende Schluchten bis hinauf zu den majestätischen 2000 Meter Gipfel Kretas, kann man sich kaum sattsehen an der Schönheit der Insel. Da diese Wanderung für mich eher unter dem Stil „eine schnelle Tour zwischendurch“ geführt wurde, hatte ich mir meine Route relativ spontan geplant und musste sie einige Male unterwegs anpassen.

Ihr erinnert Euch, wie ich die Route geplant hatte mit dem Hintergedanken, den endlosen Schneemassen zu entkommen und bei lauen, mediterranen Frühlingstemperaturen durch blühende Wiesen zu laufen? Naja, der Plan ist nicht so ganz aufgegangen… Mir war bewusst, dass die Berge im Inland Kretas jeden Winter permanent schneebedeckt sind. Meine Route was also schon entsprechend geplant, um die höchsten Gipfel zu vermeiden und keine Pässe höher als 1900 Meter zu gehen, wo normalerweise die Schneelinie liegt. Leider hat Kreta diesen Winter laut aller Einheimischen den rauesten, regen- und schneereichsten Winter seit Jahrzehnten erlebt. Viele niedrigere Pässe waren völlig unbegehbar (zumindest ohne Ski, die ich Zuhause gelassen hatte), insbesondere in dem oft recht steilen Terrain. Das heißt, ich verbrachte nicht nur sehr viel mehr Zeit als geplant damit, durch eiskalten Starkregen zu wandern und auf verschneiten Pässen rumzukraxeln, sondern musste auch dauernd Umwege an die Küste laufen, wo die Routen wenigsten nur überflutet aber nicht eingeschneit waren.

Trotzdem hatte ich drei wunderschöne Wochen auf der Insel und ganz viel Zeit zum Entspannen (während ich jeden Tag 40 Kilometer wanderte). Die Menschen haben sich immer gefreut, dass sich doch ein Tourist her verirrte und ich wurde überall herzlich und mit offenen Armen empfangen.

Ja, und dann gab es da noch das griechische Essen. Vielleicht sollte ich da mal einen eigenen Artikel über die endlosen Köstlichkeiten schreiben, die ich dank des hohen Energieverbrauchs beim Wandern in sehr große Mengen genießen konnte. Da ich als Student in der Schweiz sehr sparsam leben muss und immer selbst koche, ist es für mich im Urlaub ein riesiges Stück Luxus und Lebensqualität, nach einem langen Wandertag in ein Bergdorf zu kommen, mich in ein Gasthaus zu setzen und die lokalen Leckereien hautnah zu genießen. Mit frischem Fisch in allen Variationen an der Küste, Feta direkt vom Hirten, Oliven und Orangen direkt vom Baum im Garten und dem Olivenöl, das jede Mahlzeit in ein Festmahl verwandelt, hatte ich meine abgewanderten Kalorien in höchst genussvoller Weise schnell wieder aufgefüllt. Und wenn ich dann nach einem kleinen Ouzo todmüde aber glücklich in mein Zelt krabbelte, mit der Aussicht, das morgen noch viele weitere schöne Kilometer auf mich warten, konnte ich mir keine schönere Art des Reisens vorstellen. Zumindest in der Theorie.

In der Praxis sah es oft so aus, dass ich wegen der widrigen Wettersituation, in einigen Nächten im Sturm in meinem hauchdünnen Ultralight-Zelt lag, das nur bedingt Schutz bietet, alle Kleider von den letzten Tagen im Regen durchnässt und mich sehnlich in Wilma zurückwünschte –

Jetzt die Heizung anschalten, erst mal was Warmes kochen und dann in mein trockenes, weiches Bett legen, und Emil erzählen, wie der Tag war, während Wilma vom Wind draußen sanft hin- und hergeschaukelt wird – das wäre was. Aber dann weiß ich auch, dass ich das den ganzen Rest des Jahres haben kann. Und es ist schön zu wissen, dass ich meinen Bus manchmal auf Reisen vermisse und mich immer noch aufs Heimkommen freuen kann. Früher hatte ich auf langen Wanderungen nie Heimweh, aber jetzt, wo ich Wilma habe, sehne ich mich tatsächlich, manchmal, wenn ich mit dem Zelt unterwegs bin danach, heim in meine gemütlichen 6 Quadratmeter auf Rädern zu kommen.

Und damit ich trotzdem noch ein kleines bisschen Urlaubsfeeling aus Kreta mit zurück in die Schweiz bringen konnte, hatte ich auf meiner Rückkehr in Wilma drei neue Dinge im Gepäck: ca. zwei Kilogramm Oliven, eine kleine Flasche meines Lieblings-Ouzos und eine selbstgemalte Postkarte für Emil.